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Stil und Sprache.

 

Eine Welt ohne regionale Eigenheiten?

Globales Denken auf Kosten des eigenen Kulturerbes?

Leere Phrasen und Versatzstücke anstelle klarer und griffiger Aussagen?

 

Ich fasse das Schreiben von Texten auch als Verantwortung für die Pflege der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten auf. Damit möchte ich einen Beitrag leisten, den gedankenlosen Angriffen auf unsere Sprache entgegenzuwirken, die sich täglich in geradezu lachhaft dümmlichen Formulierungen zeigen. Wir müssen nicht die völlig abgewrackten Sätze Jil Sanders (die bis zu 50 % englische Wörter enthalten) bemühen, um den allzu innovativen Sprachpanschern entweder ein gestörtes Verhältnis zur eigenen kulturellen Identität oder gar zerstörerische Absichten zu unterstellen.

Um einem leichtfertigen, auf kurze Effekte bedachten Vandalismus nicht unnötig Raum zu schaffen, wird daher auf Beispiele für die Niederungen des sprachlichen Unfugs verzichtet. Gleichzeitig verweise ich auf beliebige Stichproben gängiger Werbetexteleien. Eine Frage aber wird Tag um Tag brennender: Muß das sein? Lassen sich Dinge besser beschreiben und besser verkaufen, wenn man sich in einer Sprache ausdrückt, die wertlos ist und die nicht verstanden wird? Untersuchungen zeigen doch, daß unter den deutschen Unternehmen, die in den letzten Monaten zusammengebrochen sind, ein besonders hoher Anteil mit unklaren, pseudo-modernen englischen Namen war. Wen wundert das noch?

Die Sorge um die eigene deutsche Sprache geht keineswegs mit einer Ablehnung des Englischen einher. Im Gegenteil: Daß es bei uns englischsprachige Kinos und englischsprachiges Radioprogramm gibt, ist eine Wohltat für alle, die sich von der fürchterlichen Mischung aus schlechtem Englisch und noch schlechterem Deutsch, das ihnen täglich vorgesetzt wird, erholen möchten. Im Fernsehen laufen amerikanische Spielfilme, die sich im Original zuweilen durchaus gehobenen Sprachwitzes bedienen, jedoch in einer hochtourigen Synchronisationsmaschine gedankenlos mit jenem miesen Dummdeutsch verkleistert wurden, das sich durch alle Seifenopern und kommerziellen Serien zieht und von dort aus immer weiter in die Gesellschaft sickert.

Was wird damit bezweckt? Was hat man davon, Rundschreiben als Mailings, Arbeitsmaterialien als Handouts, Broschüren als Reader und Unternehmertum neuerdings als Entrepreneurship zu bezeichnen, wo doch die bekannten und treffenden deutschen Wörter die jeweilige Sache präzise bezeichnen? Verbirgt sich hinter der Sprachglobalisierung, wie sie sich derzeit in Mitteleuropa vollzieht, nichts weiter als Einfältigkeit? Es scheint auch das Argument der Politikwissenschaft, für die von ihr gebrauchten Begriffe policy, polity und politics gebe es einfach keine eindeutigen deutschen Wörter, sondern nur absatzlange Erklärungen, nicht zuzutreffen. Woran es mangelt, ist ein ehrliches Bemühen, die eigene Sprache zu benutzen, zu pflegen und dadurch weiterzuentwickeln.

Das Argument von den Fachbegriffen taugt nur bedingt. Natürlich ist es ein Unterschied, ob sich in einer wissenschaftlichen Disziplin ein Begriff weltweit eingeführt hat und verwendet wird, oder ob jemand einfach durch sprachlichen Unfug versucht, sich besonders wichtig zu machen. Nicht immer ist die Kommunikation jedoch so global, wie man meint: Hauptsächlich läuft die Kommunikation innerhalb der eigenen Sprachgemeinschaft, und was spricht dagegen, sie dann auch in der gemeinsamen Sprache zu führen? Doch auch da witterten die Verballhorner wieder Handlungsbedarf und machten aus dem intransitiven Wort ein transitives: etwas kommunizieren – so schufen sie einen weiteren dämlichen und unnötigen Anglizismus, noch dazu einen mit Tarnkappe.

Und die Werbung? Mittlerweile sollte doch auch Tante Lenchen klar sein, daß in den Waschpulvern seit mindestens zwei Jahrzehnten nichts neues enthalten ist, sondern daß sich nur die modernen Marktschreie wie extra, supra, ultra und mega verändern – wobei man raten darf, ob es demnächst hyper oder meta heißen wird.

Keineswegs darf man sich dem Irrtum ergeben, alles sei in Ordnung, wenn nur auf englische Wörter verzichtet würde. Abgesehen davon, daß es eine ganze Reihe sinnloser bis sinnverdrehender Anglizismen gibt, die ganz ohne englische Wörter auskommen, wird die deutsche Sprache in einem Maß vernachlässigt, das zu denken gibt. Der derzeit beliebteste und bestgetarnte Anglizismus in der deutschen Sprache ist das dynamische „Sinn machen“ (von englisch: to make sense = Sinn ergeben, sinnvoll sein; to make sense of = verstehen). Sinn kann etwas haben, geben, ergeben oder eben nicht; man kann Sinn haben, hineinlegen, deuten; machen kann man nur Unsinn.

Neue Wörter tauchen auf, und weil sie schick sind, verbreiten sie sich in Windeseile. „Andenken“ ist ein Wort, das es immerhin schon seit dem 18. Jahrhundert gibt, nicht aber in der ganz neuen Bedeutung einer gerade beginnenden geistigen Tätigkeit: „Jemand hat das schon angedacht“. Und auch hier wirft sich die Werbebranche wieder als Pionier der Sprachverdämlichung in den Schlamm: Nudeln werden als kultig bezeichnet, Papiertücher gibt es von der Super-Saugweg-Wischkraft-Rolle, Plastikflaschen sind unkaputtbar. Die Sprache von über hundert Millionen Europäern steuert auf einen Zustand zu, wo jeder aus einem Müllhaufen aus Phrasen und Sinnlosigkeiten zusammenklauben kann, womit er seine Gedanken zu kleiden beabsichtigt.

Da kann man sich gleich auch fragen, wie weit es denn mit der Schulbildung bei manchen Schreibenden her ist. Moderatoren und Nachrichtensprecher, Kommentatoren und Politiker sind nur ein Teil der Träger immer schlimmerer Sprachreproduktion. Der „Spiegel“ schreibt als Überschrift: „Pfusch am Herz“, im Fernsehen und im Radio kann man hören: „Heute gedachte die Stadt dem Tod von zwei Bergleuten…“, „Dank den Spenden und der Hilfe unserer Zuschauer…“ oder „Es ist ein Ort, an dem die Leute mit Freude hinkommen…“. Der ORF blendet seinem Saalpublikum zum Mitsingen die Textzeile „We am from Austria“ ein.

Um die Sprache in Tageszeitungen steht es nicht besser. „Diese Ausstellung macht einmal mehr deutlich…“, wobei abgesehen von einem weiteren beliebten Anglizismus (von englisch once more = noch einmal) impliziert ist, daß die Ausstellung es schon einmal deutlich machte; „Die Tankstelle wird nur von Dienstwagen benützt“, die ihre Fahrer anschließend mit einem vollen Tank überraschen; „Auf dem Friedhof kam es zu wilden Gefechten zwischen Gräbern und Gruftdeckeln“, wobei man sich fragt, ob die Gräber oder die Gruftdeckel gewonnen haben; „Nur selten kommt der Luchs von Natur aus vor“, gemeint ist sein Vorkommen in der freien Natur; „Ehe sie das Amt als Generalsekretärin annahm…“, wobei sie also schon Generalsekretärin war; „Reimann zog von 1949 bis 1956 in den Nationalrat ein“, „ÖVP will eigene Initiative ergreifen“, nicht etwa die eines anderen; „…deckte alle Bereiche ab“, – wobei man an einen verendeten Gaul denkt.

Diese Liste ließe sich täglich um tausende Beispiele erweitern. Die Schlußfolgerungen sind düster; in einer Welt, die sichtlich zusammenrückt, in der das Bildungsniveau immer weiter absinkt und Bildungsstandards an den Schwächsten angelegt werden, um ihnen „das Lernen zu erleichtern“, darf man einfach nicht mehr erwarten, daß in den Tageszeitungen und anderen Medien alles auf Punkt und Komma stimmt. Auch wenn man es zunächst als kleinen Flüchtigkeitsfehler abtut, daß es in einer Zeitschrift heißt: „Die Entdeckung des Kaffee“ – im Inhaltsverzeichnis steht es ganz genauso. Es sind keine Fehler im Sinne einer ansonsten entwickelten Schrift- und Sprachkultur, sondern Manifestationen ihres Verschwindens. Solche Manifestationen lassen sich klassifizieren, ohne daß jedoch diese Aufstellung Anspruch auf Vollständigkeit erheben dürfte:

1. Echte Anglizismen

„Powerjobs für Girlies“, „Nach Verteilung der To-do-lists…“, „VOR Nightline“. Die Anglizismen gehören zu den Fremdwörtern, die hier aus Platzgründen völlig unberücksichtigt bleiben.

2. Versteckte Anglizismen

„…machte die Veranstaltung keinen Sinn“, „Standardtarif“, „…traf einmal mehr auf…“, „Netzwerk“ – dazu seien auch schlechte Übersetzungen gezählt, die aus der Amerikanischen Regierung eine Administration im Sinne von Verwaltung (von englisch administration = Regierung) machen oder die deutsche Form eines griechischen Wortes durch dessen englische Form ersetzen: Technik wird zur Technologie (von englisch technology = Technik)

3. falsch verwendete oder nicht existierende Ausdrücke

„Autobus-Unglück fordert zwei Tote“, „Auch der rosigste Optimist…“, „Dies ist nicht einfach dadurch zu erreichen, indem man…“, „Der Streik der Kohlebergleute…“, „…unweigerliche Schwierigkeiten…“, „Antikriegsgegner“, „Widersprechende Polizeiberichte…“ – ferner die gewaltsamen Verweiblichungen, die aus neutralen Begriffe Unwörter wie „Kurierin“ und „Autorin“ machen.

4. falsche Grammatik

„…während der zwanziger und dreißiger Jahren“, „Finanzielle Bedingungen stellte er keine“, „…mit Deutschland, dem nördlichen Nachbar…“, „…Restbestände sind keine mehr vorhanden…“, „…versetzt einem in Erstaunen“, „Straßen erstrecken sich auf einer Länge von…“ – Konjugation und Deklination sind keine hermetischen Wissenschaften, die nur wenige Eingeweihte beherrschen, sondern sie lassen sich erlernen. Schließlich hat sich auch allgemein herumgesprochen, daß sich der „einzige“ eben nicht zum „einzigsten“ steigern läßt.

5. falsche Rechtschreibung

„Gottseidank“, „Die Schwesternstadt von…“, „Kanditaten“, „Schadensersatz“, „Diezöse“, „Lybien“ – hierzu gehören Fehler, die sich bis vor einiger Zeit noch relativ gut durch den Gebrauch des Dudens vermeiden ließen; heute ist die Verwendung des Wörterbuchs schon sehr heikel.

6. falsche Verwendung von Zeichen

Damit sind zum Beispiel unvermittelte Großbuchstaben mitten im Wort gemeint. Mit solchen Willkürlichkeiten soll typographische Originalität gezeigt werden, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist.

Was ist die Folgerung? Daß die Sprache ständig fremde Wörter aufnimmt und sich ständig verändert, ist nichts neues. Ziegel, Fenster und Nummer verdanken wir den Römern, Alkohol den Arabern, und zahllose andere Wörter stammen aus weiteren Sprachen und Kulturen, etwa Reibach, Powidl, Tohuwabohu, Rhythmus, Tomate und Paprika. Manche Wörter haben richtige Sprachreisen hinter sich, etwa das ursprünglich aus der deutschen Sprache stammende Wort Mannequin (von niederländisch mannekijn = Männchen). Etymologie ist faszinierend und gibt Aufschluß über kulturellen Austausch. Gegen sprachliche Weiterentwicklung soll auch gar nichts gesagt werden, und regionale Unterschiede sind gleichermaßen interessant und erhaltenswert.

Das sich abzeichnende Kauderwelsch geht aber in eine ganz andere Richtung. Der deutsche Biedermann glaubt sich damit das Mützchen der Weltläufigkeit und kosmopolitischen Gesinnung aufsetzen zu können, um mitmischen zu dürfen im Zeitalter der Globalisierung. Aber zeichnete sich die Haltung, die einmal „weltbürgerlich“ hieß, nicht gerade dadurch aus, daß ihre Träger kulturelle und sprachliche Unterschiede bewußt schätzten, ausschöpften und genossen?

Diese Haltung ging nicht nur von der Kenntnis dieser Unterschiede, sondern insbesondere vom Respekt gegenüber den Eigenarten der eigenen wie der fremden Sprache und Kultur aus. Das aber, was sich heute als „kosmopolitisch“ anpinselt und dabei Phrasen von „Global village“ schnattert, ist nichts als ein gedankenleeres Weltbanausentum, das in seiner Verachtung des „Nichtglobalen“ den deutschen Michel noch glaubhafter heraushängen läßt als zu Zeiten Heinrich Heines.

Das Zugehen auf die andere Kultur bedarf nicht der Zerstörung, sondern des Erkennens der eigenen.

Falls Sie das ähnlich sehen wie ich, sei Ihnen die hier folgende Liste vermeidbarer Anglizismen empfohlen. Allen, die häufig Texte verändern müssen, seien drei Bücher von Wolf Schneider empfohlen: Deutsch für Profis (Goldmann), Wörter machen Leute (Piper) sowie Deutsch fürs Leben (Rowohlt). Wenn Sie außerdem der Meinung sind, daß Frakturschrift als Teil des europäischen Kulturerbes pflegens- und erhaltenswert ist, finden Sie hier nähere Informationen.