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Interspeech

Von Alexander Glück

 

Die Segnungen elektronischer Kommunikationstechniken erweisen sich als sinnvoll und praktisch. In kürzester Zeit läßt sich ein Brief, ein Programm, ja sogar eine Photographie um den halben Globus schicken — um dort ohne Eselsohr oder Verunreinigung auf einem anderen Computer aufzutauchen. Eine wunderbare Sache.

Doch führt die globale Datendiffusion dazu, daß man sich auch gleich über die Begrifflichkeiten solchen Austauschs ins Einvernehmen setzen will. Und weil es in unseren Landen längst nicht mehr üblich ist, für eine neue Sache ein deutsches Wort zu finden, übernimmt man mit den neuen Sachen gleich auch ihre angeblichen Bezeichnungen. Denn wir sind ja global — so global, daß wir uns eines Tages selbst nicht mehr wiedererkennen. Im Falle der weltweit vernetzten Datenübertragung sagt man deshalb — vermeinend, Deutsch zu sprechen — Internet oder World Wide Web. Wortspiele von virtuosem sprachlichem Einfallsreichtum schließen sich an: Sind Sie internett? Selbst wenn die Übertragung in die deutsche Sprache versucht wird, kommt dabei in aller Regel ein mustergültiger Anglizismus wie Netzwerk heraus. Es verbreitet sich also eine vordergründig spezifische Terminologie, wo es eigentlich auch deutsche Wörter täten. Mit einigen Fachausdrücken zur Bezeichnung verschiedener virtueller Dinge im elektronischen Alltag sei diese Entwicklung lebendig vorgeführt. Wir werden eine Reihe wunderschöner englischer Bezeichnungen finden, für die man bislang noch keine gescheiten Übersetzungen finden zu müssen glaubte.

Mit der Hardware fängt’s schon an. Auf dem Desktop befindet sich normalerweise ein Browser, mit dessen Hilfe man sich beim Provider einloggen kann. Wer noch keinen Browser hat, kann ihn auf CD-ROM überall bekommen. Übrigens ist es merkwürdig, daß im allgemeinen Sprachgebrauch die CD-ROM mit offenem o gesprochen wird, was eigentlich die Schreibung mit doppeltem m voraussetzt. Und derselbe allgemeine Sprachgebrauch setzt sich übrigens bei Computerviren darüber hinweg, daß ein Virus sächlichen Geschlechts ist, und sagt kurzerhand: der Virus.

Hat der Browser über das Modem die Connection zum Server des Providers aufgebaut, beginnt möglicherweise schon der Download der ersten E-mails. Wer lieber im Internet surfen will, gibt eine Zieladresse ein — weit besser bekannt als URL. URL will global bedeuten: uniform resource locator, ist also erstens einheitlich und zweitens für das Auffinden gesuchter Datenbestände zuständig. Üblicherweise spricht man die drei Buchstaben als einen Gurgellaut von seltener Schönheit aus; wer ohnehin Dialekt spricht, bringt es bei diesem neuen Fachbegriff zu individuellem Klang. Oft kommt es vor, daß man von einer Stelle auf eine andere verwiesen wird, und zwar mit Hilfe eines Hyperlinks oder einfach Links. Daß es den Begriff "links" schon lange in unserer Sprache gibt, stört dabei niemanden, nun gibt es ihn eben zweimal. Hyperlink heißt wörtlich: Überverbindung oder Hyperlasche. Durch einfaches Anklicken landet man beim jeweiligen Ziel. Dieses ist zunächst eine Homepage, von der aus man sich durch die Website des jeweiligen Anbieters vorarbeiten kann. Für den Begriff Homepage gibt es immerhin mit Leitseite eigenständigen Ersatz — aber was wollen Sie statt Website sagen? Spinnennetz-Standort?

Das Wort E-mail hat bereits seinen festen Platz in unserer Sprache gewonnen. Niemand weiß, warum eine E-mail weiblich ist — manchmal ist es auch sächlich. Die Bezeichnung wird zuweilen liebevoll verhunzt: dann heißt es Emil, E-Mehl oder Emaille. Und diejenigen, welche sich die Schöpfung deutscher Wörter um jeden Preis angelegen sein lassen, haben keinen sinnvolleren Vorschlag als — E-Post. Das ist kaum besser, aber es klingt wenigstens nach epischer Breite.

Die Bestandteile der Zieladressen haben auch ihre eigenen Namen, die erst gelernt sein wollen. Wer sich eine E-mail-Adresse diktieren läßt, hört wohlklingende Beigaben wie underscore, slash und dergleichen mehr. Wer etwa der Pressestelle von Sony Österreich darauf zur Antwort gibt: "Ach, Sie meinen einen Unterstrich!", wird alsbald berichtigt: "Der heißt underscore." Der Schrägstrich — englisch line — heißt jetzt slash, was auf Deutsch schlitzen heißt. Und der nach links gestellte Schrägstrich heißt backslash (zurückschlitzen). Verwirrung macht dann nur noch das kleine Knöllchen in den Adressen: Offiziell ät-Zeichen genannt, konkurriert es phonetisch mit dem uns aus Firmennamen wohlbekannten et-Zeichen (&). Hier das strahlendste Ergebnis deutscher Wortschöpfungskunst der letzten fünfzig Jahre: Klammeraffe. Grandios! Manche sagen auch Rollmops dazu. Am sinnvollsten wäre einfach ein kleines bei für das kleine at, denn das ist ohnehin der unwichtigste Teil der Adresse.

Noch unübersetzt ist auch die Bezeichnung digitale ID (gesprochen: digitale Idee), die für ein digitales identification document steht. Mit seiner Hilfe kann man E-mails verschlüsseln und ihre Echtheit beweisen. Und wer die vielen elektronischen data files (wörtlich übersetzt: Dateiendateien), Mails (Mehrzahl von Post, also Posten), Attachments (Anlagen) und ähnliches das nächste Mal aus seiner Mailbox (Briefkasten) herunterlädt, kann diese Zeit ja nutzen, um sich ein paar kreative neue Wortschöpfungen (word inventions) einfallen zu lassen.

Die Musiksequenz wird mit Erlaubnis der Classical Piano Midi Page verwendet. Das Urheberrecht liegt bei Bernd Krüger.

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